Schluss-Plädoyer von Dr. Paul Schulz. Urteil

Einleitung
1.   Stationen aus der Geschichte des Konfliktes
2.   Marginalen zum Verfahrensablauf in Hannover
3.   Anmerkungen zu dem Gutachten von Herrn Prof. Dr. von Weizsäcker.
4.   Brückenschläge zwischen den widerstreitenden theologischen Positionen.
5.   Dimensionen allgemeiner gesellschaftlicher Umbrüche. 
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Urteil 

 

Teil 4. Brückenschläge zwischen den widerstreitenden theologischen Positionen

Es sind mir in dem Schlussplädoyer von Herrn Bischof Lohse noch einmal die fünf Fragen gestellt worden, um die es in der Aus­einandersetzung seit 1973 immer gegangen ist.

Ich will deshalb zu den jeweiligen Fragen meine Position nur noch ganz kurz um­reißen, um von daraus dann jeweils den Brückenschlag zu signa­lisieren,
der unser Gespräch von der Sache her fortsetzt:

–    In der Frage nach Gott als dem ersten,
–    in der Frage nach Jesus als dem zweiten,
–    in der Frage nach Kirche und Bekenntnis als dem dritten,
‚-    in der Frage nach der Ethik und dem Wertsystem als dem vierten,
–    in der Frage nach Tod und ewigem Leben als dem fünften Thema.

Ad 1: Gott-Kritik

Ich habe unmissverständlich gesagt und halte hiermit als meine Grundposition fest:
Redet der Mensch von Gott, redet er von sich selbst. Alles Reden des Menschen von Gott ist Reden von unten auf Gott zu.
Die Vorstellung einer Gott-Person aus dem Jenseits ist heutzutage nicht mehr zu vertreten. Alle Bilder von Gott als Person sind überholte Bilder,
gegenüber den modernen naturwissenschaft­lichen Erkenntnissen einfach nicht durchzuhalten.

In summa:
„Es gibt einen Himalaya, es gibt einen Bodensee, Gott gibt es nicht“
– dieser Satz, vor etwa 15 Jahren von Professor Metzger aus Mainz formuliert, dieser Satz steht – gegen jedwedes Personendenken.

Das heißt:
Dennoch ist das „christliche Reden von Gott“ eine Grundposition auch der modernen Theologie und damit allen zu­künftigen Redens von Gott überhaupt.

Angesichts der modernen Naturwissenschaften, der Astrophysik, der Biochemie, gilt es also nicht, Gott zu leugnen, sondern Gott neu zur Sprache zu bringen.
Von Gott muss in Zukunft in viel gewaltigeren Bildern gesprochen werden als bisher.

Der Brückenschlag in der Gottesfrage:  Sein und Seiendes

Den Brückenschlag sehe ich darin:
„Redet der Mensch von Gott, dann redet er von sich selbst“ – damit ist das „Sein an sich“ in seiner Qualität nicht begrenzt.

Das Sein als die Wirklichkeit an sich geht wesentlich dem voraus, was der Mensch je erkannt hat und wahrscheinlich je erkennen wird.

Ich nehme hier philosophisch Begriffe von Heidegger auf, nämlich die Unter­scheidung zwischen „Sein“ und „Seiendem“.

Fast „platonisch“ sage ich:  Allem Seienden voraus geht das Sein.

Damit bin ich ganz nahe dem Satz:
Allem Seienden voraus geht Gott – nur dass ich Gott eben nicht als Person benenne.
Der Unterschied zwischen uns ist nicht der, dass ich dem Seienden voraus kein Sein definiere, ganz im Gegenteil!
Nur dass ich das Sein als solches nicht mit einem Personenbild, sondern als Prinzip, als Funk­tion beschreibe.

Deswegen möchte ich den Unterschied zwischen uns genau benannt haben.

Eine Verkürzung dahingehend, als wäre für mich Wirklich­keit nur das, was ich als Mensch erkenne,
dem widerspreche ich auf das Grundsätzlichste.

Ich habe immer definiert, dass der Mensch nur völlig vorläufig Ausschnitte von dem erkennt, was als grundsätzliches Sein vorausgeht.
Ich weiß mich in meinem „aristotelischen“ Ansatz „platonisch“ bezogen, indem ich mit dem „Sein“ genau das definiere,
was die theologische Grundaus­sage von Augustin über Luther bis Barth gewesen ist:

Die eigent­liche Seins übersteigt bei weitem das Seiende, das es zu erkennen sucht.

Die kritische Frage zwischen uns ist jetzt ganz genau die:
Ist die Beschreibung dieses Seins an sich in nicht-personhaften Formeln von einem solchen gravierenden Unterschied gegenüber der lutherischen Dogmatik, dass das zu einem nicht über­brückbaren Dissens führen muss?

An dieser Stelle ist unsere Konfrontation nicht ausdiskutiert. Von hieraus wäre nämlich die Frage nach Gott zwischen Herrn Wendebourg und mir
über­haupt noch einmal neu zu stellen: Wo liegt eigentlich der un­überbrückbare Dissens in der Gottesfrage zwischen uns?

Wenigstens liegt der Dissens nicht darin, dass meine Definition des Seins die klassische „Theo“-logie
des Augustinischen, Luthe­rischen, Barthschen „Gott ist das ganz andere“ nicht abdecken könnte.

Dazu verweise ich auf Seite 115 meines Buches Weltliche Predigten:
Dort versuche ich mit den beiden Formulierungen „Gott ereignet sich im Werden“ und „Gott ereignet sich im Lieben“
das Sein an sich im Erfahrungsbereich des modernen Menschen zu orten (siehe auch: Ist Gott eine mathematische Formel, Seite 30 f).

Auf Seite 73 f meines ersten Buches „Ist Gott eine mathematische Formel“ gebe ich unter „Gott indivi­duell“, „Gott kollektiv“ und „Gott universal“,
eine Explikation jenes „Seins an sich“ in der Vielfalt dessen, was dem Menschen als Wirklichkeit widerfährt.
Dies ergänze ich auf Seite 85 ff meines Buches „Weltliche Predigten“ mit der Benennung von drei „anthropologischen Orten“ allen Redens von Gott.

Von daher komme ich zu der Meinung, dass wir uns in einer Gesprächssituation befinden,
in der wir uns viel näher zu sein scheinen, als der Augenschein im ersten Augenblick vorgibt – ohne captatio benevoluntiae.

Ad 2: Jesus-Kritk:

Es ist ganz unmißverständlich, dass ein sachgerechtes Reden über Jesus Christus heute nicht vollzogen werden kann ohne die Masse von elementaren wissenschaftlichen Ergebnissen zum historischen Jesus einerseits und kerygmatischen Christus an­dererseits. Dabei ziehe ich wesentliche Konsequenzen daraus, dass alles, was an Hoheitstiteln – wir haben das hier mit Prof. Friedrich zumindest angedeutet – dass alles, was an Hoheitstiteln Jesus transzendiert, nicht Positionen des historischen Lebens der irdischen Gestalt Jesu sind, sondern Positionen des Kerygmas, des Bekennens der Urgemeinde, also nicht in den historischen Jesus hineingehören, sondern in den kerygmatischen Christus. Das ist für einen Theologen, sofort eingängig, selbst wenn es für einen Laien im ersten Augenblick kompliziert erscheint.

Dies aber heißt in der Konsequenz-, dass wesentliche Aussagen gerade reformatorischer Theologie infolge der historisch­kritischen Forschung nicht in den historischen Jesus hinein­gehören, – zum Beispiel die gesamte Rechtfertigungslehre -sondern in die folgende paulinische Interpretation des historischen Jesus. Es gibt für mich überhaupt gar keinen Grund, in der Jesus-Frage nicht das zur Anwendung zu bringen, was die historische kritische Forschung zur Verfügung stellt. So komme ich schließlich zwangsläufig zu dem Satz: Jesus war ein Mensch wie jeder Mensch sonst auch.
Der Brückenschlag in der Jesus-Frage: Der Glaube
Der Brückenschlag in der Jesus-Frage liegt im Begriff „Glaube“. Glaube bedeutet im Sinne Bultmannscher Interpretation nicht ein Fürwahrhalten irgendwelcher komischen Dinge, sondern be­schreibt die existentielle Betroffenheit des einzelnen, das persönliche Risiko, sich auf etwas hin zu wagen. Das, was den historischen Jesus qualifiziert in der christlichen Tradi­tion und in meiner eigenen Nachfolge, ist eben dieses persön­liche Risiko, das wir Glauben nennen, nämlich eine Lebensent­scheidung auf Jesus hin. Jesus wird so zu einer Betroffenheit, zu einer letztgültigen Qualität, die zum Beispiel in der früh­christlichen Tradition mit Begriffen wie „König“, „Christus“, „Hohepriester“, „Herr“ beschrieben worden ist.
Was den Menschen Jesus transzendiert, ist der persönliche Glaube des einzelnen, der nicht nur mein spezielles Bekenntnis zu Jesus möglich macht, sondern darüber hinaus auch das Be­kennen jedweder Christen in der Tradition verständlich macht. Glaube in den verschiedenartigen historischen Konkretionen ist somit als existentielle Entscheidung eine große Vielfalt von persönlichen Wagnissen. Dass aber zu verschiedenen Zeiten Menschen mit verschiedenen Sprachformeln ihren Glauben konkretisiert haben, bedingt erstens nicht, dass ich genau in deren Sprachbildern reden müsste noch, dass ich mit meinen Sprachbildern deren Glaubensstand disqualifizieren würde. Die persönliche existentielle Betroffenheit, der Glaube jedes einzelnen Menschen hat, kann und wird durch die Jahr­hunderte hindurch das Phänomen „Jesus“ immer wieder anders, immer wieder neu beschrieben. In diesem Glaubensbegriff von dem historischen Jesus auf den kerygmatischen Christus hin liegt die Offenheit unseres Gespräches.
Ich meine also, dass sich gerade der denkende Mensch heute auf Jesus hin spezifisch riskieren kann und muss. Darum ver­weise ich in meinem ersten Buch „Ist Gott eine mathematische Formel“ auf S. 111ff und in meinem zweiten Buch „Weltliche Predigten“ auf S. 137 ff. Im Grunde sehe ich aus meiner ge­samten systematisch-theologischen Erfahrung überhaupt keinen Grund, warum es hier zu einem elementaren Dissens zwischen uns kommen muss – selbst wenn Sie natürlich mit anderen Bil­dern sprechen als ich. Wenn wir in der christologischen Frage besser aufeinander hören würden, wären wir uns wohl über­raschend schnell nahe, ohne uns mit falscher Freundlichkeit gegenseitig einzufangen. Ich meine also, gerade der Brücken­schlag in der Christologie über den Begriff „Glauben“ gibt uns die Möglichkeit, das Gespräch zwischen unseren Positionen überhaupt erst in Gang zu bringen und überhaupt gar keinen Grund, ein Gespräch an dieser Stelle abzubrechen.
Ad 3: Kirchen- und Bekenntniskritik
Ganz ohne Frage habe ich Ihnen hier sichtbar gemacht, und ich habe das auch in meinen Büchern geschrieben, dass die sichtbare Kirche, die ecclesia visibilis, mit ihrer Amtshierarchie und mit ihren dogmatischen Strukturen ein weltlich Ding ist. Auch alle Bekenntnisse sind historische weltliche Erkenntnis-Posi­tionen, also relativ. Nichts ist aus meiner Sicht, letztlich an der bestehenden Kirche als besonders heilig zu qualifizieren, auch Ihre Bekenntnisse nicht. Diese stammen nicht aus einer göttlichen Offenbarung, sondern sind historische Positionen innerhalb eines historischen Ablaufs. Bis ins Detail gerade der Confessio Augustana 1530 läßt sich diese These beweisen.

Der Brückenschlag in der Kirchen- und Bekenntnisfrage: Konkretion und Funktion
Der Brückenschlag liegt in meinem Versuch, Ihnen mit den Be­griffen „Konkretion eines Bekenntnisses“ und „Funktion eines Bekenntnisses“ meine Position einsichtig zu machen. Ich halte diese Unterscheidung aus meiner Sicht für besonders glücklich. Einerseits kann ich dadurch mit gutem Gewissen Bekenntnisse in ihrer historischen Gestalt, also in ihrer Konkretion aner­kennen, sie in ihrer Wirkung und in ihrer je spezifischen Funktion zur Kenntnis nehmen. Andererseits kann ich mir da­durch klar machen, dass das Wesentliche an den Bekenntnissen nicht ihre historische Konkretion ist, sondern die Funktion des Bekennens: Christen haben durch Jahrhunderte hindurch die spezifischen Konkretionen aller Bekenntnisse auf ein neues Bekennen hin offen gehalten. Nicht in irgendwelchem statischen Nachplappern von Konkretionen liegt das eigentlich christliche Verantworten, sondern in dem jeweils neuen Verantworten des Bekennens. So ist die Confessio Augustana eine neue Konkretion der Funktion des Bekennens, ebenso die Leuenberger Konkordie.
In der Öffnung nach vorne hat die Kirche oft alte Konkretionen durchstoßen müssen, um überhaupt ihr Christsein weiterhin be­schreiben zu können. Sie wird immer wieder alte Binder auflösen müssen, weil diese einfach nicht mehr das zur Sprache bringen, was existentielle Betroffenheit in der modernen Situation zum Ausdruck bringen will. Stures Festhalten an Konkretionen kann also gerade die Funktion des Bekennens begrenzen. Also wird man den Mut haben müssen, Konkretionen aufzulösen. Aber solche Funktion des Bekennens äußert sich immer wieder in der Notwen­digkeit, Bekennen zu konkretisieren. Das heißt also, mit neuen Sprachbildern oder mit aufgenommenen alten Sprachbildern neue Aussagen zu wagen.

Ich meine, dass in diesem Erklärungsversuch von der Konkretion eines Bekenntnisses auf die Funktion eines Bekenntnisses hin zwischen uns ein weites Feld der Möglichkeiten der Verständi­gung besteht. Ich zumindest habe keine grundsätzliche Mühe, in der Funktion meines Bekennens alte Konkretionen wieder aufzunehmen, um darin neue Konkretisierungen sichtbar zu machen. So habe ich, für manche überraschend, die alte Konkretion des 1. Artikels des Kleinen Katechismus Luthers als eine Konkretion von Bekennen anerkennen können. Ich würde so von mir aus zwar nicht reden wollen – kann ein solches Reden aber verstehen, akzeptieren. Dies widerspricht sich überhaupt gar nicht, sondern ist möglich, da ja die jeweilige Konkretion wieder eine Funktion hat, auf die hin meine Funktion des Bekennens sich konkretisiert. So begriffen, haben sogar die ältesten christlichen Bekenntnisse und natürlich die luthe­rischen Bekenntnisse von 1530 ff für jedes moderne Reden der Theologie ihre wesentliche Bedeutung. Wer aber wollte das Risiko leugnen, dass gerade auch diese alten Konkretionen durchstoßen werden müssen, um die Funktion des christlichen Bekennens heute aufrechtzuerhalten? Auch hier befinden wir uns, meine Herren, am Anfang des Gespräches und nicht am Ende.
Ad 4: Grundwerte-Kritik
Es gibt – dies habe ich in meinem kritischen Satz: „Ich habe mich bekannt zu …“ definiert – keinen absoluten Sinn, der transzendent kontrolliert wird. Es gibt nur relativen Sinn, Sinn, der vom Menschen aus gesetzt ist. Ich will die ganze Debatte, die ich ja in meinen Büchern versucht habe zu belegen, hier jetzt Ihnen nicht noch mal vorführen. Ich bekenne mich zu diesem Satz, dass aus der derzeitigen Wirklichkeitserkenntnis nirgendwo ein inhärenter ethischer Wert benannt werden könnte, der als Absolutum universaler Entwicklungen gelten könnte.

Der Brückenschlag in der Grundwertefrage: Jesu Botschaft von der Liebe
Aber nun genau an der Stelle ist ein Brückenschlag von großer Bedeutung zwischen uns möglich. Gibt es keinen absoluten Wert, so sind wir als Christen geradezu wesentlich verpflichtet, Wert zu setzen. Und unser Auftrag, unser Spezifikum des Christ­seins, ist gerade jene Möglichkeit, im Namen Jesu mit der „Liebe“ einen Wert zu setzen, der als Grundwert auf allgemeine Anerkennung zielt. Die Erkenntnis der grundsätzlichen Wertlosigkeit der Dinge führt den Christen eben nicht zum Nihilismus, sondern in das direkte Risiko auf Jesus hin, nämlich in die Mitte seiner Botschaft der Nächstenliebe. Ich brauche die Kon­turen der Nächstenliebe hier nicht noch einmal aufreißen, weil ich es immer wieder getan habe: Liebe als persönliche Verant­wortung, Liebe als rationales Bewusstsein, Liebe als immer wie­der nach vorne hin sich dem Nächsten positiv öffnen. Ich habe das im 8. und 9- Gebot meiner Hamburger zehn Gebote als eine ethische Faustregel formuliert.
Auch hier scheiden wir nicht in einem grundsätzlichen Dissens voneinander. Denn die Einsicht moderner Philosophie – vom Existentialismus bis zum Nihilismus – dass es keinen absoluten Wert gibt, macht ja das christliche Risiko umso notwendiger. Und hier stehe ich als jemand, der nicht resigniert sagt: Also keine christliche Existenz mehr! Ich stehe hier vielmehr als jemand, der sich gerade aufgrund dieser denkerischen Prämisse in die christliche Tradition stellt und sagt: Alle christlich bewussten Menschen hatten und haben Recht, wenn sie gegen alle Infragestellungen den Zentralwert der Botschaft Jesu, das Prin­zip Liebe, aufrechterhalten und durchsetzen. Ich sehe nicht, wo eigentlich hier der Abbruch des Gespräches zwischen uns nötig, ja, möglich ist?
Ad 5: Eschatologie-Kritik
Es geht schließlich um Tod und ewiges Leben. Auch hier werde ich grundsätzlich zu meinen Aussagen stehen. Ich habe aus­führlich dargetan, warum ich sage, dass der Tod etwas Letzt­gültiges ist. Er ist es über weite Strecken im Alten Testa­ment – als ein Beispiel dafür, dass Menschen an Gott glauben können, ohne je von einem Leben nach dem Tod zu sprechen.
Ich verstehe den Vorwurf in dem Schlussplädoyer von Herrn Professor Lohse nicht: Schulz hat keine Eschatologie. Wo steht das eigentlich? Schulz hat keine Apokalyptik – allein das stimmt. Eschatologie hängt nicht wesentlich mit jenen Endzeitbildern zusammen, die die Welt sozusagen in Asche und Schutt zerfallen lässt, hängt auch nicht mit jenen Gerichts­bildern zusammen, die das Spätjudentum den Menschen aufge­drängt hat. Apokalyptik sind Vorstellungen einer ganz speziel­len Zeitepoche, die heute keine Vorausbedingung darstellen für christliches Reden von Eschatologie.

Der Brückenschlag in der Eschatologie: Die basileia tou theou
Wesentlich ist, dass die eschatologische Dimension des Redens Jesu und von Jesus in dem Begriff der „basileia tou theou“ ge­geben ist. Dies habe ich Ihnen hier ausführlich versucht deut­lich zu machen: 1. dass die basileia tou theou in der Botschaft Jesu grundsätzlich nicht mit apokalyptischen Dingen behaftet sein müsste – das war meine neutestamentlich-wissenschaftliche Prämisse, 2. dass in dieser basileia tou theou ein Entwurf einer alternativen Welt mit anderen Selbstverständlichkeiten beschrieben ist, selbst dann, wenn es nicht über unsere Welt hinaus transzendiert wird – das war meine systematische Expli­kation.
Diese basileia tou theou ist im modernen Denkvollzug der Theo­logie „realized eschatology“, bereits vergegenwärtigte Escha­tologie. Dies ist nicht eine theologische Position, die Schulz erfunden hat, sondern auf die sich Schulz beruft. Sie sichert zu, dass ein Theologe wesenshaft von christlicher Eschatologie spricht, wenn er von der anderen Qualität der diesseitigen Welt spricht. Ich könnte hier noch einmal wiederholen, was ich in diesem Sinn ausführlich im Gespräch mit Herrn Stegemann und auch mit Herrn Kretschmar über die basileia tou theou gesagt habe, verweise stattdessen auf „Weltliche Predigten“, S. 137 ff.

Ich sehe überhaupt gar keine Notwendigkeit über den in der modernen Theologie selbstverständlichen Begriff der „realized eschatology“ zwischen uns das Gespräch abzubrechen. Ich sehe hierin vielmehr eine wesentliche Möglichkeit, überhaupt erst über das, was alternative Welt im Namen Jesu mit anderen Selbstverständlich­keiten heißen könnte, ins Gespräch zu kommen.
Das also sind meine fünf Brückenschläge. Es sind nicht und fordert nicht Preisgaben von Positionen. Es sind vielmehr klare „loci“, von denen her unser Gespräch eigentlich erst in Gang kommt. Es kann gar keine Frage sein, dass es zugleich Posi­tionen sind, die innerhalb unserer evangelisch-lutherischen Kirche möglich sind und möglich bleiben werden – selbst wenn Sie Schulz dafür aus dieser Kirche eliminieren.

 

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