Bayreuther Manifest

Als Aufruf

an alle Konfessionsfreien, Freidenker, Humanisten, Agnostiker und Atheisten und an alle, die ihrem Leben eine neue Orientierung geben wollen:

 

1.

Religion bedeutet immer Fremdherrschaft Gottes über den Menschen.

Immer steht der Mensch unter göttlichen Verboten und Strafen.
Er wird zuwiderhandelnd – so ganz eindeutig die Bibel und alle kirchliche Dogmatik – als Sünder bis in den Tod verfolgt und im Tod mit Fegefeuer und Hölle bestraft.

Selbst der Himmel ist eine göttliche Diktatur. Die jenseitige Heilshierarchie „Ewiges Leben“ stellt sich dar als eine absolute Herrschaft von oben.

Die Repressionen der Religion und der Religionen erfüllen in einer Demokratie den Tatbestand der Unterdrückung, der Erpressung und des Terrors.

 

2.

Erst durch die Loslösung von Gott als der höchsten religiösen Autorität setzt sich der Mensch frei von größtmöglicher Fremdbestimmung.

Indem er sich selbst herausnimmt aus der göttlichen Bevormundung, entwickelt sich der Mensch zu einem sich selbst bestimmenden und selbst verantwortenden Individuum. Er wird ein autonomer Mensch.

Ein solcher Mensch bekennt sich in unserer demokratischen Gesellschaft als Atheist.

 

3.

Der Mensch ist frei geboren, überall liegt er in Ketten.

Dieser Aufschrei Rousseaus zur Befreiung des Menschen 1754 während der Aufklärung richtete sich gegen die kirchlich-religiöse Beherrschung der christlich-abendländischen Welt, denn alle staatliche Gewalt vollzog sich damals ursächlich in Vollmacht Gottes und damit als theokratische Unterdrückung. Christentum und Islam, Rom und Iran, vertreten bis heute dasselbe theokratische Machtprinzip.

Auch heute ist die geistige Befreiung des Menschen aus religiöser Fremdbestimmung ein hochaktuelles Thema unserer säkularen Gesellschaft, die von göttlichem Irrglauben und kirchlich-religiöser Hochfährigkeit nur so trieft.

Unsere Gesellschaft ist weit entfernt von einer verfassungsgeforderten Trennung von Staat und Kirche, gar von einer Trennung von Staat und Religion.

 

4.

Jeder Mensch hat das Recht auf Religion. Religion ist Privatsache – „res privata“, wie die alten Römer sagten.

So steht es in der französischen Menschenrechtsverfassung von 1791, in der UN-Menschenrechtserklärung von 1948, im deutschen Grundgesetz seit 1949, und im neuen Lissabonner EU-Vertrag von 2009

– erfunden, durchgesetzt und geschützt nicht von den christlichen Kirchen – nie! – sondern von der säkularen Demokratie.

Etwas völlig anderes ist die Machtentfaltung und Einflussnahme der institutionalisierten Religion und Religionen auf Staat und Gesellschaft. Dabei geht es um „res publica“, wie die alten Römer sagten.

Die res publica, unser säkularer demokratischer Staat, muss befreit werden von allen Machteinflüssen institutioneller Religion und Religionen, vor allem auch von allen religiösen bildungspolitischen Einflussnahmen
speziell auf unsere Jugend insgesamt, besonders in Kitas und säkularen Schulen

Deshalb:
Ceterum censeo religionis potestatem esse delendam.
Die Macht institutioneller Religion und Religionen muss gebrochen werden.

 

5.

Der Mensch kann sehr wohl in eigener Verantwortung leben – ohne Kirche, ohne Religion, ohne Gott.

Viele Menschen tun das. Sie verstehen ihr Leben vor dem Tod als ihr einziges Leben. Sie versuchen, dieses Leben bestmöglich zu gestalten. Sie setzten sich Ziele, geben sich selber Sinn, erfüllen Pflichten. Sie haben Familie, Kinder, Freunde. Sie genießen die Lebensfreuden
in der Vielfalt und Schönheit des Daseins. Zugleich wissen sie um den Tod als das ganz natürliche Ende ihres Lebens – für immer. Ihren Tod verstehen sie als das Nichts, in dem – ohne allen Schrecken – ewiger Frieden herrschen wird.

Diesseitiges Leben also in autonomer Eigenverantwortung.

 

6.

Der Mensch kann sehr wohl zugleich in Mitverantwortung für den Mitmenschen und für die Gesellschaft leben, auch ohne Kirche, ohne Religion, ohne Gott.

Viele – gerade auch junge – Staatsbürger tun das, oft sogar unter schwersten persönlichen psychischen Belastungen
als Kranken- oder Altenpfleger, als Polizisten und Rettungsdienste bei entsetzlichen Unfällen oder Katastrophen, als Soldaten in Afghanistan,
als Studenten in einem repressiven Lehrbetrieb, als Arbeitsnehmer in einer immer stärker verhartzten Berufswelt.

Gerade so aber leben sie zumeist durch und durch in weltlich-humanistischen Lebensidealen.

 

7.

Der Mensch kann sich selbst befreien zu einem autonom-humanistischen Menschen in einer säkularen Welt.
Der Mensch braucht dazu keinen Papst, keine Kirche, keine Religion, denn es hilft ihm kein Gott – weder in Haiti, noch sonstwo.
Der Mensch braucht nur verantwortungsbewusste Menschen, die mit ihm im Leben und im Sterben solidarisch sind.
Die höchste Verantwortungsform des Atheismus ist deshalb eine größtmögliche Humanität.

Cura ut valeas!
Sorge dich so um dein und unser weltliches Wohlergehen!
Bayreuth, 27. Januar 2010
zur Veranstaltung
in der Universität Bayreuth

 

________________________________

Dr. Paul Schulz immer aktuell unter

www.drpaulschulz.eu

info@drpaulschulz.eu

Bücher:

Paul Schulz, CODEX ATHEOS.
DIE KRAFT DES ATHEISMUS
Verlag Aug. Rauschenplat, 2006, 2007², ISBN 3-935519-15-x

Paul Schulz, ATHEISTISCHER GLAUBE.
EINE LEBENSPHILOSOPHIE OHNE GOTT
Marix Verlag, 2008, ISBN 978-3-86539-179-7

Zurück zur Übersicht