Der Fall Hendrikse

Domradio vom 22.05.2010 -> Originalartikel: http://www.domradio.de

Der Fall Hendrikse

Niederländischer Pfarrer sorgte mit atheistischem Manifest für lebhafte Debatten und bleibt im Amt

Den Namen Paul Schulz habe er noch nicht gehört, sagt der reformierte Pastor Klaas Hendrikse dem epd. Zwar kenne er einen Schulz, aber der sei Amerikaner. Auf den Pfarrer der Freisinnigen Reformierten Kirchengemeinde im niederländischen Zierikzee und im benachbarten Middelburg beruft sich der ehemalige Hamburger Pastor Paul Schulz, der eine Wiederaufnahme des 1981 gegen ihn abgeschlossenen Lehrverfahrens anstrebt.

Über die niederländische Provinz Zeeland hinaus bekannt ist Hendrikse als „atheistischer Pfarrer“. Mit seinem 2007 erschienenen Buch „Glauben an einen Gott, der nicht besteht – Manifest eines atheistischen Pfarrers“ sorgte er landesweit für Furore und heftige Debatten. Vor allem der theologisch konservative Flügel in der Protestantischen Kirche in den Niederlanden sieht darin einen Verstoß gegen die Lehre und Ordnung der Kirche.

Anfang Februar wurde das kircheninterne Verfahren gegen den umstrittenen Pfarrer beendet: Hendrikse darf Pfarrer bleiben, entschied die regionale Kirchenleitung. Die Aussagen in dem Buch tasteten nicht das Fundament kirchlicher Lehre an. Zudem unterschieden sie sich nicht maßgeblich von den Positionen, die andere Theologen aus dem liberalen Lager vertreten.

Die Standpunkte des Pfarrers könnten deshalb als Teil der theologischen Debatte gewertet werden. Kritik an diesem Beschluss des Visitationskollegiums kam aus dem „rechtgläubigen“ Milieu der Reformierten. Die Kirche mache sich damit lächerlich, hieß es. Dies ebne den Weg zu einer Kirche, in der alles erlaubt und alles behauptet werden könne.

Der 62-jährige Hendrikse, der für seine Position Rückhalt in seiner Kirchengemeinde hat und dessen Gottesdienste gut besucht sind, ist mit seinen Zweifeln an der Existenz Gottes nicht allein. Einer von sechs Pastoren in den Niederlanden ist nicht überzeugt, dass es Gott oder eine höhere Macht gibt, ergab eine Befragung von 860 evangelischen Pfarrern.

Die Erhebung des Soziologen und Theologen Hijme Stoffels von der Freien Universität Amsterdam aus dem Jahr 2006 zeigte, dass Gotteszweifel konfessionell unterschiedlich stark verbreitet sind. Von den Pfarrern der kleinen Remonstrantengemeinschaft gaben 41 Prozent an, dass sie nicht an Gott glaubten. Bei den lutherischen Pastoren sind dies 24 Prozent und bei den Reformierten 19 Prozent.

Von jüngeren Pfarrern wird die Existenz Gottes am wenigsten in Fragen gestellt, fand Stoffels heraus. Er führt dies darauf zurück, dass diese Theologengeneration postsäkular aufgewachsen sei und bewusst den Pfarrerberuf gewählt habe. Hingegen hätten die Pfarrer, die 50 Jahre und älter sind, die Entkirchlichung miterlebt und selbst nachvollzogen, erläutert der Theologieprofessor.

Zu Ende ist die Debatte über die Frage, ob Gott existiert, mit der Einstellung des kirchlichen Verfahrens gegen Hendrikse keineswegs. Auch unter dem Eindruck des „Pfarrers ohne Gott“, wie Hendrikse in den Medien bezeichnet wird, will sich die 2,1 Millionen Mitglieder zählende Protestantische Kirche auf ihrer Synode im November dem Thema „Reden über Gott“ zuwenden.

(Rainer Clos / epd)

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